Hallo Roger Pfau,zu erstmal eine große Entschuldigung, dass ich viel zu lange nicht geantwortet habe, aber mein Studium und Privatleben haben meine Aufmersamkeit so gefordert, dass ich Prioritäten setzen musste, und leider eine Weile nicht die Zeit und Muße hatte, hier wieder eine Antwort zu posten.
Ich hoffe ich habe dadurch nicht ihr Interesse verloren.
: Das interessiert mich. Es ist mir klar, daß dies äußerst intime Erfahrungen sind, aber vielleicht ist es Ihnen möglich, mir an wenigstens einem Beispiel zu erläutern, wie diese Erfahrung entsteht? Ich nehme es Ihnen aber auch nicht übel, wenn Sie dies lieber nicht tun wollen.
Wenn Sie mir ihre Emailadresse mitteilen, werde ich das gerne mit Ihnen privat teilen.
: : Ein gläubiger Mensch würde Ihnen wahrscheinlich antworten, dass wir auch eine Art "Sinnesorgan" haben für nicht-materielle Dinge. Und das Gott ja, wenn er der Schöpfer ist, durchaus sich einen Weg zum Menschen bahnen kann.
: Ob wir ein solches Sinnesorgan haben, sei einmal dahingestellt; es würde Ihnen vermutlich schwer fallen, bei einer Sezierung darauf zu zeigen :-) Aber wenn wir von immateriellen Sachverhalten wie Liebe oder Freundschaft oder ähnlichem sprechen, weiß ich, worauf Sie damit verweisen und will die Aussage als Metapher für wesentlich kompliziertere Sachverhalte im Gehirn und im hormonellen System akzeptieren. Liebe und Freundschaft und dergleichen Immaterialitäten zeichnen sich aber durch Operationabilität aus. Ich kann lieben
und Liebe entgegennehmen, sehr unmittelbar. Bei Gott ist diese unmittelbare Evidenz nicht gegeben.
Eine eher kalte Definition dieser "Immaterialitäten". Ich kann mir vorstellen, dass wir am Ende sogar das gleiche meinen, Sie jedoch eine wissenschaftliche abgesicherte Definition vorziehen, statt Ihre eigene Erfahrung, ihre eigene Fähigkeit zu interpretieren, ihr Bewusstsein Ihres eigenen Herzens miteinzubeziehen.
Obwohl ich damit auch das Risiko einer Fehlinterpretation eingehe, habe ich gelernt, meine "immateriellen" Sinnesorgane zu nutzen und mein Herz zu nutzen, um zu fühlen. So unsicher Ihnen diese Methoden erscheinen mögen, sind sie von unvergleichlicher Genauigkeit, lediglich unsere (mangelnde) Bewusstheit bei der Nutzung
mindert ihre Perfektion.
: "q-d-sch", der althebräische Begriff, der unserem Wortfeld "heilig" entspricht, meint zunächst "getrennt (sein), ganz anders (sein)". Das würde ich deuten als "etwas, das sich unserer Vorstellungskraft entzieht".
"Transzendenz" ist demgegenüber ein über Jahrhunderte von Theologen wie Philosophen gleichermaßen destillierter Begriff, der schließlich u.a. in die "Zwei-Naturen-Lehre" mündet, welche - arg zusammenfassend - besagt, daß Gott einer anderen Natur angehört als der Mensch (auch wenn er Einflussmöglichkeiten auf die
andere Natur - unsere - hat). Für die Existenz einer derartigen zweiten Natur gelten die gleichen Fragen wie hinsichtlich Gott selbst.
Vielen Dank für diese Informationen. Heilig hat für mich persönlich jedoch noch viel weitere und auch feinere Bedeutungen und Nuancen. Auch habe ich gerade bemerkt, dass ich der "Zwei-Naturen-Lehre" zustimme:)
: Glauben - Sachverhalte, deren Grad an Realität faktisch völlig unentscheidbar ist, als definitv real existent erwiesen halten oder handhaben.
Bis auf einen kleinen, aber unendlich wichtigen Punkt kann ich da doch zustimmen. Nämlich besteht zwischen den Menschen die an Gott glauben, und den Menschen, die nicht an Seine Existenz glauben, eine Art unsichtbarer Schleier, der zu einem gewissen Grad das gegenseitige Verständnis verhindert. Das kommt daher, dass Menschen, die an Gott glauben, dies nicht einfach so tun, sondern Gott in ihrem Leben wirklich erfahren.
Jetzt wirds etwas schwieriger. Wenn es unabhängig von unserem Glauben und Wissenschaft einen Gott gibt, der auch auf die "zweite" ;) Natur des Menschen Einfluss nehmen kann, dann wird Er als Erschaffer des Universums wirklich keine Schwierigkeit damit haben Sein Wirken die Menschen erkennen zu lassen. Außerdem kann Er (m.M.n. wird Er) den Menschen, die vielleicht aus Stolz glauben, dass das unfassbare Zusammenspiel der
Elemente, des Körpers, der Natur, des Sonnensystems, der Galaxien, des Universums, usw. lediglich ein Zufallsprodukt sei, und damit die schöpferische Genialität, Kreativität und Lebensfreude nicht erkennen können, die ihre eigene Winzigkeit in diesem Universum nicht einordnen können,diese Menschen wird er prüfen und wird ihnen einen Schleier über ihre Herzen und Augen legen, so dass sie in ihrem Unglauben bleiben.
Wenn man andererseits davon ausgeht, dass es tatsächlich keinen Gott gibt, dann wird man auch davon ausgehen, dass dieser logischerweise auch nicht erfahrbar sein kann und mag vielleicht bei der Betrachtung gläubiger Menschen das Gefühl bekommen, dass sie ganz natürliche Vorgange, Ereignisse, Zufälle gerade als einen Beweis
für die Existenz Gottes annehmen, ja Bedeutungen sogar hineininterpretieren, um bewußt und v.a. unterbewußt eine Bestätigung ihrer faktisch völlig unhaltbaren These zu erreichen, die sie daraufhin auch in eine Art rückwirkendes Beweisgefüge einbauen, das wie ein perpetuum mobile sich letzlich selbst beweist.
Nun lieber Roger Pfau, wie könnten diese beiden Sichtweisen, die völlig legitim nebeneinander existieren, je vereint werden.
Ich hoffe, Ihnen hier die prinzipielle Schwierigkeit klargemacht haben zu können.
: Bin ich auf der Seite derer, die Leid erzeugen und/oder Leiderzeugung rechtfertigen? Dies erscheint mir eine sehr viel wesentlichere Frage zu sein, als die Frage, ob ich an Gott glaube oder nicht, oder ob ich Jude, Christ, Muslim, Hindu oder weiß Gott was :-) bin
Glaube wie ich ihn verstehe, und sämtliche "heiligen" Schriften, die ich kenne geben mir da Recht, bedeutet nicht nur den Zustand des Fürwahrhaltens einer Existenz Gottes, sondern vielmehr "lebendigen" Glauben, der durch Gesinnung, Denkweisen und vor allem Taten untermauert wird, aber auch deren Grundlage bildet. Es ist nicht nur die Pficht eines Gläubigen, wann immer möglich, vorhandenes Leid zu mildern, sondern auch gar nicht erst Leid zu verursachen. Darüberhinaus gibt es meiner Meinung nach auch von Gott verursachtes Leid (da ich glaube, dass alles "Gute" wie "Schlechte" von Gott kommt), das der Prüfung oder Bestrafung dienen kann.
: Ich wünschte, es wäre so, es würde viele Gespräche entspannter machen. Vielleicht können Sie mir das glauben :-), daß es mir sehr lieb ist, wenn ein Christ aufgrund eines Gespräches mit mir sich noch tiefer in seinem Glauben verankert, wenn er nur zu einem höheren Maß an Klarheit und Durchdringung seiner Prämissen gelangt ist. Erhöhte Klarheit, Durchdringung der Prämissen und Einsicht, gleichgültig, in welche Richtung der
Weg danach weiter geht. Also Ergebnisoffenheit. Ich glaube nicht an die Existenz einer absoluten "Wahrheit".
Das äußerste, was erreichbar ist, scheint mir "Angemessenheit" zu sein, als Übereinkunft zwischen dem, wie ich die Welt beschreibe und dem, wie ich mich ihr gegenüber faktisch positioniere.
Wenn ich Ihnen dies glauben kann, dann möchte ich Sie herzlich dazu einladen, viele weitere Gespräche mit Gläubigen zu führen. Ich hoffe auch daraus erkennen zu können, dass Sie sich selbst auch als ergebnisoffen bezeichnen würden. Glauben Sie an die Existenz einer absoluten "Realität"? Was Sie über die Angemessenheit schreiben, kann ich verstehen und halte es auch für angemessen ;)
: lieben Gruß
: Roger
Ebensolchen zurück, trotz der Verspätung habe ich noch Hoffnung auf Ihre Antwort,
Stefan