Abgeschickt von Katja am 19 Oktober, 2001 um 16:55:23:
Mich bekümmert etwas, was schwer zu formulieren ist. Ein sehr guter Freund, ja, mein Freund, ist, was man durchaus als Alkoholiker bezeichnet. Typisch deshalb, da er eine fürchterliche Kindheit durchlebt hat. Er ist der sensibelste Mensch, den ich bisher kennengelernt habe (ich bin mittlerweile fast 33). Trotz seines Alkoholkonsums ist er wachsam, liest schwere Tageszeitungen und schreibt, weil er Philosophie studiert und eigentlich wirklich ein Philosoph ist. Seine Intellektualität leidet nicht unter seinem Alkoholkonsum, dennoch bekümmert es mich, daß er es offenbar immer wieder vorzieht, dies als seine Lösung anzusehen. Über Taufe hat er schon nachgedacht, da er aus Ost-Deutschland kommt, ist er weder evangelisch noch katholisch erzogen. Wir haben uns in einem Kloster kennengelernt. Offenbach ist er auf der Suche und hat einen guten Weg eingeschlagen, nach Gott zu fragen, ihn zu suchen - und ich glaube, er findet ihn auch - in "Bruchstücken". Ich habe jetzt die Rolle übernommen, ihn zunächst so zu akzeptie ren und ihm natürlich helfen zu wollen, komme aber nicht umhin, ihm hin und wieder Vorwürfe zu machen, ja ich bin manchmal fast zickig, weil es mich aufregt, wie nachlässig er in bestimmten Fragen sein kann. Das glaube ich, steht mir eigentlich gar nicht zu. Obwohl er auch froh ist, daß ihm mal jemand die Meinung sagt und ihn auf das ein oder andere hinweist, glaube ich, letztendlich denkt er, niemand versteht ihn wirklich. Diesen Anspruch habe ich ja auch nicht, nur Gott kann ihn verstehen. Ich frage mich derzeit nur, ob man es wagen kann, mit solchen Ängsten und auch Vorurteilen, über Familie, über Zusammenziehen, über gemeinsame Lebensplanung nachzudenken. Selbstverständlich möchte ich nicht, daß meine Kinder mit ihrem Vater nicht glücklich sein können, wenn sie feststellen, daß er trinkt und gesellschaftlich dadurch in ein Raster fällt, was auf die Kinder wieder übergeht. Vielleicht gibt es ja jemand, der sich hierüber ein Bild machen kann oder jemanden kennt, der in einer ähnlichen Situation ist? - Ich muß sagen, daß ich, weil ich ihn wirklich sehr lieb gewonnen habe, mich überfordert fühle, wie ich nun damit umgehen soll. Über eine Rückmeldung bin ich sehr froh.